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Das Erstaunlichste ...
...... für mich an Ferenc Fricsay war seine intuitive Beziehung zum Vokalen. Es ist in diesem Falle nicht vermessen, von einem sechsten Sinn zu sprechen, so vollkommen war seine Einfühlungsgabe in die menschliche Stimme. Es ging soweit, dass er uns – ohne je Gesangs-unterricht gehabt oder sich mit den komplizierten physiologischen Vorgängen befasst zu haben, wertvolle Ratschläge geben konnte. Ratschläge die mir persönlich immer wieder weiterhalfen und auch anderen Sängern eine Hilfe waren.
Weil ihm die Musik das Höchste im Leben bedeutete, war ihm bereits das Wort „Routine“ verdammenswert, geschweige denn ein Routinesänger oder ein lethargisches Routineorchester. In solchen Situationen war er völlig hilflos, fühlte sich persönlich beleidigt, fühlte seine geliebte Musik geschändet und dann kam es zu den bekannten Zu-sammenstössen, wo er jede Diplomatie vergass und der heilige Zorn ihn übermannte. „Sie lieben die Musik gar nicht“, fauchte er einen Kollegen einmal an, „sie singen nur Töne!“ In diesen Dingen kannte er keine Kompromisse. Und nach Proben, in denen er das gesteckte Ziel nicht erreichte und Widerstand verspürte, war er der Verzweiflung nahe. Er brauchte ein gleichstimmiges Mitgehen, ein Wachsein, ein Echo für seine Intentionen. War dieses Echo einmal hergestellt, dann konnte er seine Mitarbeiter zu Höchst-leistungen hinreissen.
Maria Stader
(lyrische Sopranistin) |