Er war ein eigenwilliger Charakter: begeisterungsfähig für alles Schöne und voll hoher Ambitionen für die Musik, der er sich mit Leib und Seele verschrieben hatte. Kompromisslos und beharrlich versuchte er in jedem Fall, seine künstlerischen Forderungen mit ungarischem Tem-perament durchzusetzen. Manchmal ging er dabei gegen jede Vernunft und reale Möglichkeit an, und es bedurfte vieler Stunden der Aussprache und des guten Zuredens, um sein Verständnis für die Notwendigkeit gelegent-lichen Nachgebens zu wecken. Nicht immer verliefen solche Unterhaltungen friedlich (er konnte recht heftig werden), aber letzten Endes wirkten sie sich be-reichernd auf unsere gemeinsame künstlerische Arbeit aus.

In unvergesslicher Erinnerung ist mir seine Probenarbeit und wird es vielen sein, die daran teilhatten. Leicht hat er sie niemandem gemacht, nicht sich selbst und nicht seinen Mitarbeitern. Unerbittlich und bis zur Erschöpfung der Kräfte aller Beteiligten feilte er an Stellen, die in ihrer Ausführung dem ihm vorschwebenden Klangideal nicht entsprachen. Aber die Intensität und Strenge seiner Arbeitsweise wurden aufgelockert durch die lebendige und märchenhaft-phantasievolle Bildersprache, mit der er seine Erklärungen verdeutlichte und die Heiterkeit, die sein ebenso flüssig wie fehlerhaft gesprochenes Deutsch auslöste:   „Der F in die ersten Geigen ist unsauber.“

Ich erinnere mich eines warmen und ehrenvollen Aus-spruchs des unvergesslichen Altmeisters Bruno Walter:

„Ferenc Fricsay gehört zu den ganz wenigen meiner jungen Kollegen, die Demut haben.“
                                                                    Prof. Elsa Schiller