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Vati war die Sonne                                                                                                

Es ist sicher etwas anderes, seinen Vater, den von der Öffentlichkeit Bewunderten, mit dem eingeschränkten Blick eines Sohnes zu sehen. Meine Erinnerungen reichen nicht in die früheste Kindheit zurück. Da liegt der Schatten der Nachkriegszeit, des Getrenntseins und einer fremden Umgebung, doch schliesslich der Lichtblick des sich Wiederentdeckens. Dann begann die glückliche Zeit.

Seit ich mich erinnern kann, hatte ich einen Vater, der immer beschäftigt war, Entscheidungen traf. Richtungen anzugeben war sein Schicksal. Egal wie hoch es in den Ferien herging, er war immer liebevoll zu uns Kinder, wenn auch streng.

Wir waren Internatskinder, nur in den Ferien zu Hause. Ich weiss, dass andere Kinder unmässig in Internaten litten. Auch ich kannte den Dolch, der dem Herzen zusetzte, genannt Heimweh. Und doch war's anders. Denn ich spürte, dass Vati uns liebte, und begriff, dass der Beruf seine Abwesenheit forderte, nicht er. Ich fühlte mich selbst in Momenten der Traurigkeit priviligiert, denn keiner hatte einen solchen Vati voller Wunder. Dieses Beschenktsein hält bis heute an.

Vati war die Sonne. Seine Gegenwart belebte alle. Keiner konnte sich gegen die Leidenschaft wehren, die von ihm, in allem was er tat, ausging. Er bezauberte Gross und Klein, Besucher und Familie, lachte gerne, erzählte bei jeder Gelegenheit köstliche Witze und schon im nächsten Augenblick führte er ein ernstes Thema zu Ende. Leicht und ohne Druck führte Vati Dialoge. Ich habe ihn nie verlegen gesehen. Das gab ihm etwas Unangreifbares.

Ich war 17 und hatte mich "unsterblich für ewig" verliebt. Mannhaft gestand ich meinem Vater, dass ich zur Ehe bereit war. Er lachte nicht, forderte hingegen auf mich zu setzen und fragte: "Wie alt bist du jetzt?" Ich sagte: "Siebzehn." Er: "Gut. Hast du dich in den letzten Jahren verändert?" Ich bejahte. Er: "Willst du in den kommenden Jahren was dazulernen?" Ich bejahte. Er: "Das ist gut. Aber warum glaubst du, dass du dich mit den Jahren veränderst, nicht aber deinen Geschmack?" Ich sah ihn mit erstaunten Augen an, so als würde ich ihm zum ersten Mal begegnen und wusste, dass seine Frage berechtigt war.


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